10 Anrufe, 1 WhatsApp-Nachricht und viele Beileidskarten

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Mama hat ein Smartphone. Seitdem sie es hat, nutzt sie nur allzu gerne die Möglichkeit, mit uns und ihren Enkelkindern in Kontakt zu stehen. Und natürlich auch mit ihren Freundinnen, mit denen sie sich austauscht. In den ersten Tagen bei mir nutzt sie das Handy, um mit ihren Freundinnen zu chatten oder zu telefonieren. Doch irgendwann will sie das nicht mehr. „Was soll ich denn noch sagen?“ fragt sie mich. Ich weiß, was sie meint. Ihre Freundinnen wollen wissen, wie es Mama geht. Und sie kann nicht mehr antworten, dass es ihr besser geht. Die gut gemeinten Genesungswünsche und andere Tipps, die ihr helfen sollen, kann Mama nicht mehr ertragen. Immer häufiger bittet sie mich, wenn das Telefon klingelt, zu sagen, dass sie nicht telefonieren kann. Tatsächlich schläft sie auch die meiste Zeit- ich muss noch nicht einmal am Hörer lügen. „Können wir uns denn wenigstens ein bisschen unterhalten?“ fragt einmal eine Freundin von Mama. Sie vermisst sie und ich habe das Gefühl, dass sie Mama nah sein kann, wenn sie mit mir spricht. Wir unterhalten uns. Leicht fällt mir das nicht, fühlt sich mein Kopf im Moment sowieso so leer an. Aber ich erfahre, wie sehr Mama von ihren Freundinnen geschätzt wurde. Das wiederum tut gut. Aber es ist anstrengend. Auch die Bitte nach einem Besuch müssen wir hier und da ablehnen. Weil es Mama nicht mehr kann und wir auch nicht. Zu verletzlich sind wir hier in unserem kleinen Kosmos geworden…  Ein paar Wochen nach Mamas Tod möchte ich schauen, ob auf ihrem Handy noch Bilder sind, die ich speichern sollte. Als ich das Gerät einschalte, sehe ich die Nachricht einer Freundin, die sich nach Mama erkundigt und ihr eine schöne Adventszeit wünscht. Ich schreibe ihr von meinem Handy aus und teile ihr mit, dass Mama gestorben ist. Immer mal wieder meldet sich die ein oder andere Freundin von Mama bei mir. In den Nachrichten teilen sie mir ihre Gedanken und Erinnerungen mit. Schön, dass sie immer noch an Mama, an mich und meine Geschwister denken und nach uns fragen. Schweren Herzens lösche ich irgendwann Mamas Nummer von meinem Handy und unseren Chatverlauf. Ich kann es mir nicht mehr anschauen, es tut zu weh. Die letzte Nachricht von Mama kam am 19. Oktober 2019.

Was ich mir ab und an mal anschaue, sind die vielen Beileidskarten, die uns nach Mamas Tod geschickt wurden. Es tut gut, die unterschiedlichen tröstenden und liebevollen Worte der Absender zu lesen. Ich habe die Karten in einer alten Blechdose von Mama aufbewahrt. Keine Ahnung, was früher darin war. Vielleicht Gebäck oder Tee. Ich habe das Stammbuch unserer Familie, das ja nun geschlossen ist, dazugelegt.