2 Paar Winterschuhe und 25 Umzugskartons

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Mit einem kleinen Reisekoffer und einer Tasche mit Medikamenten ist Mama bei mir angekommen. Das reicht mal gerade für ein paar Tage. Also mache ich irgendwann mit Christian auf den Weg in Mamas Wohnung, um noch weitere Dinge, die sie gerne haben möchte, zu holen. Ich frage sie, was ihr wichtig ist. „Die Winterschuhe“ sagt Mama. Sie möchte unbedingt ihre Winterschuhe haben. Die seien im Keller in einem Karton. Ich wundere mich. „Wieso ausgerechnet die Winterschuhe?“ geht es mir durch den Kopf. Mama geht es so schlecht, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie diese Schuhe noch einmal tragen wird. Aber die Winterschuhe sind ihr wichtig. Zum Glück finde ich sie. Und ich packe einfach noch Kleidung, Bilder und andere Dinge ein, von denen ich denke, dass sie sie gebrauchen könnte. Es ist komisch, allein in Mamas Wohnung zu sein und zu wissen, dass wir sie irgendwann ganz ausräumen müssen. Wir nehmen zwei kleine Schränke, ihren Fernsehsessel, ihren Fernseher und einige Bilder mit. Mit diesen Sachen wollen wir ihr es bei mir gemütlich machen. Als wir nach Mamas Tod die Wohnung auflösen müssen, fühle ich mich, als räume ich Mamas Leben in Umzugskartons. Und nicht nur Mamas Leben. Auch unseres. Da sind die Fotoalben mit unseren Kinderfotos und sogar die alten Frühstücksbrettchen, die wir als Kinder benutzt haben, gibt es noch. Alles wird ausgeräumt, verpackt und vorerst auf meinem Speicher untergestellt. Die Winterschuhe hat sie dann doch noch getragen: auf ihrer letzten Reise. Als ich den Bestatter gebeten hatte, sie ihr anzuziehen, hatte er gesagt: „Deine Mama wusste, wie kalt es hier im Westerwald sein kann“. Ja, Mama war es bei mir oft kalt. Deshalb hatte sie auch ihre dicken Kuschelsocken, die ich ihr einmal geschenkt hatte, mitgebracht. Die liegen jetzt in meinem Wäscheschrank. Anziehen kann ich sie nicht. Das ist komisch. Andere Dinge von ihr kann ich ohne Probleme nutzen. Eine kuschelige Jacke beispielsweise, Geschirr oder den kleinen Reisekoffer, den sie immer gepackt hatte, wenn sie mich besucht hatte. Ihr Kulturbeutel steht heute noch – zwei Jahre nach ihrem Tod- unberührt auf meinem Speicher. Ich kann die Dinge darin nicht auspacken, geschweige denn ihr Duschgel, dass sie zuletzt bei mir benutzt hatte, riechen. Dabei gefiel mir der Duft so gut. Ich bringe es aber auch nicht übers Herz, alles einfach wegzuwerfen.