Da ist diese eine Nacht, in der Mama noch ansprechbar ist und sich auch selbst noch ein wenig mitteilen kann. Sabine schläft ein bisschen oben in meinem improvisierten Wohnzimmer (ist eigentlich mein Büro) auf der Couch. Es ist Mitternacht und ich sitze noch an Mamas Bett. Es fällt mir einfach schwer, mich umzudrehen, das Zimmer und sie zu verlassen. Ich weiß ja nicht, ob sie, wenn ich beim nächsten Mal das Zimmer betrete, noch lebt. Und so sitze ich neben ihrem Bett auf dem Stuhl. Noch ein paar Tage vorher hat sie zu uns gesagt, dass wir doch mal schlafen sollen und sie nicht will, dass wir immer für sie aufstehen müssen. Sie entschuldigt sich sogar immer dafür, wenn sie uns ruft, damit wir ihr Schmerzmittel geben. Als Nachteulen bezeichnet sie uns. Auch entgeht ihr nicht, dass wir Tag und Nacht im Jogginganzug vor ihr stehen. „Zieht ihr euch gar nicht mehr um?“ fragt sie irgendwann empört. Solch ein Lotterleben hätte es bei ihr bestimmt nicht gegeben. Na ja… also sitze ich da in meinem ausgeleierten Jogginganzug an ihrem Bett und spüre, dass sie so langsam in den Schlaf findet. Dieser stille Moment wird jäh unterbrochen, als ein Gitter des Pflegebettes plötzlich laut krachend zu Boden fällt. Der Knall schallt durch das ganze Haus, Mama schreckt kurz auf und ich bin dem Herzinfarkt nahe. Ich versuche ruhig zu bleiben und erkläre ihr, was passiert ist. Gleichzeitig geht mir aber auch durch den Kopf, wie unsagbar schlimm das in ihrer hilflosen Situation sein muss. Sabine eilt auch sofort herbei und wir überlegen, wie wir verhindern können, dass auch die andere Seite des Gitters zu Boden fällt. Mit so einem Pflegebett kennen wir uns doch gar nicht aus und wir haben keine Ahnung, warum das ganze passiert ist. Ich hole erst einmal einen Stapel Bücher, den ich unter die Seite des Bettgitters lege, die sich noch an der richtigen Stelle befindet. Dann schneide ich im Waschkeller ein paar Meter Wäscheleine ab und besorge eine Rolle Panzerband. Wir ziehen das heruntergefallene Gitter wieder hoch, kleben und binden es am Kopf- und Fußteil des Bettes fest. Was Besseres fällt uns in der verzweifelten Situation auch nicht ein. Am nächsten Tag wird dann schnell klar, woran es gelegen hat. Ein Feststellhaken muss sich wohl beim Hin- und Herschieben des Bettes gelöst haben. Wir bringen ihn wieder an seine Position und können Wäscheleine und Panzerband entfernen. Meine nächtliche Wut über das Bett und das Sanitätshaus, dass ich am liebsten noch in der Nacht verklagt hätte, legt sich auch schon wieder…